Erinnert ihr euch noch an die Zeit (Okay… teilweise wird das immer noch gemacht) wo man Frauen sagte „Selbst Schuld, wenn du dich so anziehst“ wenn sie belästigt oder begrapscht wurden? Das Ding scheint sich irgendwie weiter entwickelt zu haben.
Und das ist kein Problem von heute, sondern eins der letzten Jahre. Gerade bei Massenversammlungen wie dem CSD oder auch kleineren Versammlungen wie Stammtische und Ähnliches.
Seit Jahren geht immer irgendwo ein Aufruf diesbzgl. Rum. Man sollte doch aufhören, die Personen dauernd zu begrabschen. Und das ist einfach übergriffig im höchsten Maße.
Aber wo fängt der Übergriff an? Ich hatte deswegen eine Unterhaltung mit jemanden, der mich auf einen aktuellen Instapost hingewiesen hatte. Für mich fängt Übergriffigkeit bereits dann an, wenn man mich umarmt ohne, dass ich gefragt werde oder mich damit überrascht.
Als ich das erste Mal auf einem Stammtisch hier in Hessen war, tat das jemand und ich bin im gleichen Moment total verkrampft. Das liegt unter anderem daran, dass ich die Person (aus „Enttäuschungsgründen“) nicht mag und vor allem mich von Fremden generell nicht gerne umarmen lasse.
Auch das Tätscheln am Kopf ist an diesem Abend mehrfach passiert und ich find das einfach grässlich. Kann man nicht vorher fragen, ob die Person das will? Vielleicht möchte die Person auch einfach nur da sein und schauen, wen es alles so gibt oder was läuft.
Anders ist es natürlich, wenn man jemanden sein Kopf anbietet oder generell Zeichen gibt, dass man dafür offen ist, und viele sind auch so. Ich nicht. Aber das ist nur die Oberfläche, die mich betrifft. Wie sieht es denn mit dem aus, was jedes Jahr durch social Media geistert?
Ich möchte den Instapost einmal zitieren bzw. einen kurzen Satz daraus:
„… oder auch gerade mich anzufassen und zu begrabschen als wäre ich die Salami in der SB-Abteilung.“
So lustig dieser Satz auf dem ersten Blick auch erscheinen mag, steckt sehr viel Wut darin, die ich nachvollziehen kann. Und vor allen die Begründungen die ich auch immer wieder Lese oder zu hören bekomme:
„Ich bin (hier dominante Rolle einfügen) ich darf das!“
„Hab dich nicht so.“
„Du willst es doch auch.“
Und das oben erwähnte „Wenn du es nicht wollen würdest, würdest du dich nicht so ‚anbieten'“
Also ….
WAS STIMMT MIT EUCH NICHT?
Es gibt einen unsichtbaren Bereich, bei jedem von uns, der sich in mehrere Unterbereiche einteilt. Der Fremdenbereich, der Bekanntenbereich, der Freundesbereich, der Familienbereich, der Partnerbereich.
Das, was viele da tun, gehört in den Partnerbereich. Natürlich verschwimmen die Grenzen bei gewollten Sexdates stark. Aber bei Versammlungen und Treffen allgemein meistens eher nicht.
Ohne vorhergehender Rücksprache hat absolut niemand das Recht und sich auch nicht das Recht zu nehmen, in die entsprechenden, intimen, Bereiche einzudringen. Sei es verbal, oder, wie es sehr sehr häufig auftritt, körperlich.
Denn das, was ihr damit anrichtet, hat schwere Konsequenzen. Und nicht nur für eure Opfer.
Die Konsequenzen
Fangen wir mal bei den Opfern an. Nicht jeder Mensch ist stark. Nicht jeder Mensch hält gleich viel aus.
Viele Opfer von dieser Übergriffigkeit fühlen sich schmutzig (So auch die Person in entsprechendem Instapost) oder auch gedemütigt. Viele geben irgendwann auf nein zu sagen. Und dann beginnt die Spirale erst richtig, bis es hin zu Vergewaltigung geht. Und das zerstört Opfer oft fürs Leben.
Weil die Menschen Angst haben, nein zu sagen und sich zu wehren. Oder schlimmer noch, dass sie denken, dass sie sowas über sich ergehen lassen müssen, weil es einfach so ist.
Es geht auch vielleicht so weit, dass diese Opfer nie wieder jemand an sich ran lassen, so sehr sie es auch wollen würden. Weil diese Erfahrungen im Kopf primär werden. Immer wieder, wenn sie versuchen, körperliche Nähe zuzulassen.
Oder, und dessen sollte sich jeder Täter klar werden, sie kommen mit der Tat so schlecht zurecht, dass sie sich für den Freitod entscheiden. Und wenn dem so ist, dann haben die Täter die Verantwortung dafür zu tragen. Und sie werden den Rest ihres Lebens damit klarkommen müssen.
Die Konsequenzen für die Täter können auch fatal werden. Lass ein Opfer, aufgrund von schlechten Erfahrungen zum Beispiel, bewaffnet sein (Pfefferspray, Taschenmesser, etc. ) und von diesen auch Gebrauch machen. Der physische Schaden kann enorm sein.
Aber auch die Anzeigen, die gegen die Täter erstattet werden können, können ziemlich empfindlich werden. Schmerzensgeld, Gefängnisstrafen und so weiter. Und wollte ihr das, nur weil euer Schwanz für euch das Denken übernimmt?
Was kann ich tun?
Als Täter … solltest du sowas schon gemacht haben, red mit dem Opfer und zeig dich ggf. auch selbst an. Sexuelle Nötigung, Missbrauch und ähnliches, sind keine Kavaliersdelikte.
Ansonsten bleibt dir nur … LASS DEINE PFOTEN BEI DIR! Frag vorher. Hol dir die Zustimmung, bevor du jemanden an oder gar in die Hose fasst. Hab Respekt gegenüber den Menschen, der vor dir steht.
Und weiß das Universum wie gern ich manchmal auch ein heißen Wuffel in eine Ecke ziehen würde. Aber mir z. B. fehlt dafür überwiegend der Mut. Ich kann Menschen auch nicht einfach so ansprechen. Und Flirts krieg ich nicht mal mit. Aber vielleicht ist das auch gut so.
Die Opfer haben viele Möglichkeiten sich zu wehren. Ich möchte allerdings Waffen nicht empfehlen. Denn die Konsequenzen können auch für euch ziemlich arg werden, wenn ihr Waffen verwendet.
Wenn euch jemand begrabscht, schubst diese Person beiseite. Schreit sie lautstark an, wenn sie nicht aufhört, sodass es jeder in der Umgebung mitbekommen. Meistens verschreckt das Täter. Und wenn nicht, sucht euch Hilfe. Gerade bei CSDs sind überall Polizisten anwesend. Oder auch andere Teilnehmer werden euch sicher gerne helfen.
Wenn ihr euch nicht traut eine Anzeige zu erstatten und es sogar weiter ging, als „nur“ begrabscht zu werden, könnt ihr euch auch an Hilfsstellen wie weisser Ring wenden. Diese erreicht ihr unter 116006 Bundesweit (Deutschland), kostenfrei und anonym täglich von 7-22 Uhr.
Wichtig ist: LASST ES EUCH NICHT GEFALLEN! Wehrt euch. Und nicht erst, nachdem es passiert ist oder das Event vorbei ist. Wehrt euch sofort mit Händen, Füßen und sehr lauter Stimme.
Eure Intimsphäre ist wichtig und ihr habt das Recht, sie um jeden Preis zu beschützen. Aber bitte macht erst die Pferde scheu, wenn ihr euch bedrängt fühlt. Ein Tätscheln am Kopf ist kein Grund einen Aufstand zu machen. Das kann man auch ruhig klären.
Schlusswort
Wenn ihr Opfer von übergriffiger Gewalt seit, sucht euch Hilfsstellen in eurer Region. Deutschland ist, was das angeht, recht gut abgedeckt. Sexuelle Gewalt ist kein Spaß und keiner von euch muss da alleine durch. Und redet mit euren Freunden und Familien darüber.
Auch sollten alle Menschen über das Thema so einmal reden. Vor allem Eltern mit ihren Kindern. Zeigt auf, was für Hilfen es gibt. Dass man euch vertrauensvoll kontaktieren kann, solltet ihr in so einer Situation gefangen sein.
Brecht mit diesem Tabuthema. Redet darüber. Es darf nicht verschwiegen werden und die Täter dürfen nicht davon kommen!
Habt ihr solche Erfahrungen gemacht? Ich würde mich über einen Kommentar freuen. Gerne auch anonym.
Und wenn ihr für andere Dinge mal einen Rat braucht, könnt ihr euch auch gerne an mich über die Take my Hand Selbsthilfeseite wenden.
Gerry
3 Kommentare zu „NEIN heißt NEIN – Lasst eure Pfoten bei euch“
Ein kleiner Hinweis von meinen Mastodon followern: Solltet ihr Transident oder Männlich sein und durch solche Ereignisse traumtisiert sein, könnt ihr euch auch an https://www.tauwetter.de/de/kontaktseite.html wenden. DIe sind wohl eine sehr gute Hilfe um Dinge loszuwerden oder auch aufzuarbeiten. Danke dafür.
Liebster Gerry ,
Du hast es schön zusammengefasst.
Auch ich bin manchmal sehr übergriffig in meiner Zuneigung zu anderen oder überstürze zu oft. Ich denke das betrifft sehr viele und das übergeiffigkeit schon beim umarmen beginnen kann, muss in das Bewusstsein der Leute und auch mich erstmal rein um daran zu arbeiten.
Bei Übergriffigkeiten sogenannter Dom oder Top haben sie ihre Rolle nicht verstanden. BDSM beruht auf gegenseitigem Respekt in einem Spiel der Unterwerfung.
Ich arbeite weiter an mir und hoffe das andere damit auch anfangen
Das wars von mir.
Wirsing
Jetzt nur zum Thema Knuddeln und Tätscheln: Das Problem ist definitiv auch hausgemacht. Spreche da sowohl aus eigener Erfahrung wie ich neu in die Community gekommen bin vor Jahren. Es wird einem von der Gemeinschaft oft vermittelt, auch teils herübergeschwappt von der Furry Community mit ihren Schnittmengen, man MUSS sich zur Begrüßung knuddeln. Noch immer gibt es einen großen Teil an alten Hasen, die das so handhaben. Das führt dann zu so absurden Situationen, dass Neulinge gedrängt werden, oft sogar selbst verunsichert, doch bitte die Anderen zur Begrüßung zu umarmen. Dass beide dies oft nicht wollen und das eher von den Alten angestiftet wird, macht die Situation um so absurder. Das gilt natürlich auch für: „Puppys muss man streicheln!“
Erst wenn man einige Zeit in der Community verbringt, erkennt man oft, dass das kompletter Blödsinn ist. Aber gerade als Neuling, wem glaub man da mehr? Natürlich augenscheinlich den Alteingesessenen, nicht unbedingt der Stimme der Vernunft. …und dann schaut man noch genauer hin: Es sind nur vereinzelte Leute, die das predigen, aber das sind meist diejenigen, die mit Ihrer Präsenz einen ganzen Raum füllen können.
Noch immer muss ich leider sagen: Auf Stammtischen, Cons, Treffen (egal welche Community), wird das immer noch als „Hab dich nicht so“ abgetan und von einigen Initiatoren sogar gewünscht „Weil alles Freunde und Familie“. Auch wenn die Wörter Familie / Freunde hier völlig zweckentfremdet werden. Solange an der Basis, sprich den Organisatoren, das nicht ankommt bzw. vorgelebt wird, dass man seine Pfoten bei sich behält, sehe ich da keine Aussicht aus Besserung.
An dieser Stelle möchte ich nicht das Fass bezüglich sexueller Übergriffe öffnen. Um aber das ganze Thema abzuschließen, ein völlig veralteten Zitat das sowohl Knuddeln als auch Übergriffe mit einbezieht und hier meiner Meinung perfekt passt: „Der Fisch fängt am Kopf an zu stinken.“