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‚Einer für alle und alle gegen einen.‘
Dieser Satz begleitete mich beinahe durch meine gesamte Schulzeit. Es waren immer alle, die zusammen gegen mich gebasht haben. Wieso? Vermutlich weil man in einer Gemeinschaft einen Einzelnen besser unterdrücken kann. Wenn sich das Opfer wehrt, dann sind noch andere da, die einen unterstützen. Das Opfer wehrt sich dann vielleicht einmal, eventuell noch ein zweites Mal, doch danach wird er aufgeben.
Es war in der 7. Schulstufe, als das Mobbing gegen mich den Höhepunkt erreicht hatte. Es war Mittagspause in der Schule und ich saß nichts ahnend im Flur, alleine, wartend auf das Ende des Tages, um endlich aus dieser Hölle zu entfliehen, als jemand den Stuhl nahm und mich auf den Boden warf. Es waren die anderen Jungs aus meiner Klasse und ein paar aus den Parallelklassen. Sie alle standen um mich herum und hatten mich ausgelacht. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt schon lange gelernt, meine Klappe zu halten, stand auf und versucht aus diesem Kreis zu entkommen.
Einer der Täter hielt mich fest und warf mich erneut zu Boden. Erneutes Gelächter. Wieder versuchte ich, aus diesem Kreis zu entkommen. Diesmal gelang es mir. Ich wusste nicht wohin. Einfach weg, schätze ich. Die Gruppe verfolgte mich. Warf grölten irgendwelche Beleidigungen und lachten.
Endlich. Ein Lehrer. Ich entschied mich, dass es am besten wäre, die restliche Pause in der Nähe dieses Lehrers zu verbringen, um dem ganzen aus dem Weg zu gehen. Es funktionierte. Sie blieben in meiner Nähe, doch weder sagten, noch taten sie etwas. Ich konnte durchatmen. Wenn der Lehrer weiter ging, folgte ich ihm. Die anderen im Nacken. Bis einer mich packte und in einen Raum zog. Alles lief so schnell. Zu schnell.
Die Pause war zu Ende. Ich lag ich am Boden. Heulend. Mit mehreren blauen Flecken. Was in diesem Raum passiert ist, möchte ich nicht aussprechen.
Auch heute erlebe ich oft, wie Leute gemobbt werden. Diese müssen diese Tortur noch immer jeden Tag erleben. Auch in dieser Community ist es keine Ausnahme. Es gibt noch immer gewisse Gruppen die sich zusammen auf einen einzelnen stürzen und sich zur Aufgabe gemacht haben, diese Person zu zerstören. Meistens beginnt dieses Gruppenmobbing mit einer einzelnen Person, die ein Problem mit jemanden hat. Daraufhin wird dann privat über diese Person aufgeregt, gelästert, Gerüchte verbreitet und schon hat man die Basis geschaffen, dass mehrere Personen, die eventuell noch nie etwas mit dem Opfer zu tun hatten, diesen fertig machen.
Doch die Schuld tragen nicht nur die Täter, sondern auch die Opfer, die das Maul halten.
„Das wird noch schlimmer, wenn ich jemanden davon erzähle.“, wird einem oft eingebrannt. Die Angst ist zu groß, um sich wirklich Hilfe zu suchen.
Kommen wir also direkt zum nächsten Mobbing-Bereich. Hati hat oben bereits gut wiedergegeben, was damit gemeint ist. Alle auf einen. Meist ist dieser eine, eine schwache Persönlichkeit. Introvertiert, oder in vielen Fällen arm.
Oder die Person hat eine andere Meinung, als die Mehrheit. Aber zu diesem speziellen Punkt kommen wir an einem anderen Tag.
Wer mein Angst-Projekt verfolgt hat weiß, dass ich mit diesem Thema auch sehr viele Erfahrungen gemacht habe. Und die Angst die Hati beschreibt, ist real. Und ich bin mir sicher, dass viele Mobber sich dessen auch bewusst sind. Sie wissen, dass es verletzt und dass es die Leute bricht.
Und das wollen sie. Dich brechen. Denn sie brauchen es. Sie brauchen jemanden, an dem sie ihr eigenes Selbstbewusstsein aufbauen können. Und sie nehmen sich dafür jede Hilfe, die man kriegen kann. Denn man ist ja zu feige für Einzelkonfrontationen.
Einzelmobbing, also das Mobbing von einer Person ist schon schlimm. Aber wenn mehrere Leute auf einen Rumhacken, ist das die absolute Hölle. Denn selbst wenn man sich verteidigt, wenn der Mut aufgebracht werden kann, ist alles, was man sagt, für die Katz‘.
Es kann noch so wahr sein, es bringt nichts. Es hört keiner. Denn die Anderen sind mehr. Sie haben recht. Egal wer was sagt. So einfach ist das … Nein ist es nicht! Aber zu dem Thema Gefolgschaft, kommen wir auch später noch. Nicht heute.
Und wenn man es durchzieht, doch was zu sagen, wird das Mobbing schlimmer. Es wird Gewalt eingesetzt. Psychisch. Physisch. Hauptsache das Opfer wird unterdrückt. Aufs tiefste erniedrigt. Und das schlimmste ist … Das Lachen.
Das Gelächter was die Krone der Demütigung anbringt, oder in Chats die triumphierenden Sticker oder Aussagen, von denen die Täter immer meinen, niemand bekommt sie mit.
Jeder Mobber sollte sich mal überlegen, was mit seinem Opfer passiert. Wie es dem Opfer geht und ob es nicht klüger ist, statt seine Freunde dazu zu holen, zu reflektieren, was das eigentliche Problem ist. Der zu kleine Schwanz oder andere Unzulänglichkeiten. Oder, was gerade bei Homosexuellen-Mobbing gerne mal auftritt, die eigene sexuelle Ausrichtung.
Wir leben in einer Zeit, wo sowas keinen Platz mehr haben sollte. Respekt ist oberstes Gebot. Wenn wir jemanden nicht mögen, oder nicht mehr mögen, dann gehen wir der Person aus dem Weg. Wir lassen diesen Menschen in Ruhe.
Wir haben es nicht nötig zu zeigen, dass wir stärker sind. Wir haben es nicht nötig uns »Freunde« zu holen, um eine Person zu drangsalieren. Denn wir sind zivilisierte Menschen. Und wenn ihr das nicht könnt, geht in eure Höhlen zurück, wo ihr euch die Insekten aus dem Pelz pult. Aber lasst die Menschen sein, wie sie sind. Leben und leben lassen.
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1 Kommentar zu „MW Türchen 7 – Gruppenmobbing“
Wie schon erwähnt ist Angst der entscheidende Faktor dabei. Ohne würde all das gar nicht funktionieren. Es gibt Leute, mit denen legt man sich an und kriegt direkt eins auf’s Fressbrett. Dort wird man es sich zwei mal überlegen, ob man sich traut. Oder aber man sucht sich jemanden, von dem man weiß, dass er ohnehin immer alleine ist. Und wenn das noch nicht ausreicht, sucht man sich Verbündete. So auf Seiten der Mobber zumindest. Denn die denken sich nichts bei ihrem Verhalten, außer vielleicht: Wie kannst du es wagen dich zu wehren? Und prügeln einem ihre vermeintliche Überlegenheit ein.
In dem Fall ist die Angst dann kontraproduktiv. Eigentlich soll uns die Angst schützen. Und kurzfristig gesehen tut sie das auch. Man redet sich zumindest ein, dass, wenn man nichts tut, es auch nicht schlimmer wird. Aber das ist falsch. Zum einen wird es so nie aufhören und zum anderen wird den Mobbern nach einer Weile gerne mal langweilig. Ganz recht, sie lassen sich etwas Neues einfallen und mit jeder neuen fixen Idee wird die Latte tiefer gelegt.
Und was das aus einem Menschen macht? Am eigenen Beispiel kann ich sagen, dass ich von schüchtern auf zurückhaltend gewechselt bin, dann auf ängstlich wenn ich nur in die Nähe fremder oder nicht vollständig vertrauer Personen kam. Dem ist auch heute noch so.
Man verliert immer mehr das Vertrauen, kennt nur noch die Angst. Innerlich wird der Wunsch nach Gesellschaft immer weniger, bis er fast gänzlich erlischt. Und dann fängt man an, sich sein Loch zu graben, eine Komfortzone, in die so schnell keiner eindringen kann und wird.
Ohne den Support von Familien und Freunden hätte ich mir sicherlich auch längst die Kugel gegeben. Die meisten haben das Glück aber nicht und sind alleine auch nicht stark genug. Und selbst ich bin trotz Support und allem immernoch im Arsch. Broken beyond repairs. Alles was mir davon geblieben ist, ist eine kalte Ausstrahlung, die die Leute von mir fern hält und selbst gegenüber Familie und Freunden ab und an mal durchkommt, wenn ich das Gefühl hab dass man mir zu nahe tritt. Das geht so weit, dass die Leute die Straßenseite wechseln wenn sich mal ein Blick trifft. Den „Blick des Todes“, wie ich ihn nenne, haben Familie und Freunde aber zum Glück noch nicht erleben müssen. Denn das ist mein Blick, wenn ich meine Komfortzone verlasse: Einsam, ängstlich und hasserfüllt – er schreit „bleib bloß weg von mir“ in vielerlei Hinsicht.